
Stumsegeln in der Channel Island Area
Erst nach einem Tag kam der Wind, vorher konnten wir noch einige warme Sonnenstrahlen genießen. Gemeldet waren bis 25 kn Wind, der Gegend um Guernsey hat es dann aufgefrischt (plus weitere 20 bis 25 kn). Nach einiger Zeit konnten wir auch die Sturmwarnungen der Franzosen übersetzen: Storm Force Eight. Das Ganze aber bei leicht bewölktem Himmel. Eigentlich echt ein Genuss. Wir hatten alles gerefft und haben mit Strom und Wind Spitzengeschwindigkeiten erreicht. Auf der Windmessanzeige hat zwischendurch mal 51,6 kn aufgeblitzt. Leider fandt unser altes Groß das ein bisschen zu viel und ist im oberen Bereich irgendwann an der Naht glatt durchgerissen und im drunterliegenden Teil völlig zerfetzt. Der Stoff ist nach all dem UV einfach etwas mürbe geworden. Darauf hatte uns bereits der Segelmacher auf den Bermuda Islands aufmerksam gemacht - und das ist ja schon eine ganze Weile her. Nun ja, Problem war natürlich, dass das Ding dann erst mal wie verrückt rumflattert und dabei noch den Lazy-Bag mitgerissen hat. Ansgar also vor an den Mast, um zu retten, was zu retten ist. Das dauert. In der Zwischenzeit steh ich am Steuer und die Maschine läuft auf hoher Drehzahl: Bewegen tun wir uns nicht wesentlich. Im Gegenteil: Die Küste ist nah bei auflandigem Wind. Irgendwann kommt der Punkt, wo wir handeln müssen. Ich ruf Ansgar ins Cockpit zurück: Wir müssen segeln! Jetzt!
Also: Genua gut gerefft raus (unsere Fock ist aus einigen Gründen unbrauchbar, wir fahren immer nur mit Genua!) und los. Gespannt beobachten wir die Geschwindigkeitsanzeige. Gut 5 sm noch, um aus dieser Legewall-Situation rauszukommen...
Langsam krabbelt der Speed nach oben. Umiak segelt! Und wie! Selbst nur mit Genua lässt sie sich super leicht steuern und pflügt durch die Wellen wie nichts. Angeleint im Cockpit ist selbst bei dem Seegang Steuern ein Genuss. Nur: Mir ist halt einfach zu kalt! Diese europäischen Temperaturen sind nichts für mich. Mit meiner Azoren-Mütze, dem sogenannten "Bini-Head" weit über die Ohren gezogen, geht's so gerade. Wir brauchen noch etwa 5 Stunden, bis wir in der großen Rade in Cherbourg ankommen. Als Segelklamotten erweisen sich mal wieder der einfache Fischer-Dress als optimal. Über die wärmende Kleidung drüber gezogen bleibt alles Trocken und gut geschützt vorm Wind. Wir haben diese Kleidung damals für wenig Geld - ganz wenig Geld - in Cuxhaven erstanden. Unsere Musto-Jacken sind seit dem selten in Gebrauch!!

Viel Verkehr und im Dunklen in den Hafen
Nachmittags war der Wind noch nicht stark, aber dafür der Verkehr! So was sind wir gar nicht mehr gewöhnt. In den Abendstunden sind dann aber irgendwie alle weg und wir laufen zusammen mit einem einsamen Fischer in Cherbourg ein. Wir sind hundemüde. Das macht es noch schwieriger, vor den Lichtern der Stadt den richtigen Eingang in die große und kleine Rade und die verwirrende Betonung in die Marina zu identifizieren. Aufgrund des Sturms ist der Hafen sehr voll. Wir ergattern aber noch einen letzten Platz und parken zwischen lauter niegelnagel neuen Yachten: Wir sind am Auslieferungssteg von GRACIA und Allures gelandet! Die sehen allesamt super aus und wir schämen uns ein bisschen für unser dagegen ziemlich ramponiert aussehendes Boot. Unser ehemals dunkelgrüner Rumpf ist nach zwei Jahren UV-Martyrium in der Karibik ziemlich licht geworden.

Alt aber mit Geschichte
Es ist richtig nett hier zu liegen: All die frisch gebackenen Yachteigner, die völlig aufgeregt und nervös sind, sich freuen wie Bolle und stolz auf ihre Superboote sind. Wir haben so nette Kontakte, fiebern mit ihnen und bangen gemeinsam, ob die notwendigen Reparaturen wohl klappen und wie es weitergeht. Schon sehr spannend. Es ist ja bei weitem nicht so, dass auf neuen Yachten alles läuft und klappt, schon gar nicht termingerecht. Wir werden ein bisschen zur Anlaufstelle: Kummerkasten am Steg, jeder kommt und erzählt uns, was nun wieder schief gegangen ist. Wir trösten, so gut es geht. Und Ansgar versorgt die "Doch-nicht-Losgekommenen" morgens mit frischen Croissants...
Wir sind zwar ein bisschen das hässliche Entlein am Steg, aber wie die anderen uns betiteln "das Boot mit Geschichte und vielen Geschichten". Ein Defizit, das die Zeit bei ihnen Stück für Stück auflösen wird, da sind wir sicher.

Cherbourg Stadt
Cherbourg hat viel Geschichte und einen richtig schönen Altstadt-Kern. Uns gefällt es hier, vor allem der Besuch im Museum Cité de la Mer beeindruckt uns sehr.
In einem wunderschönen Bauwerk ist hier ein Museum untergebracht, das wechselnde Ausstellungen zum Thema Meer zeigt. Wir wollten eigentlich nur das hier ausgestellt Atom-U-Boot anschauen, sind aber so begeistert, dass wir die anderen beiden Museumsteile "Titanic" und "Ozean" auch noch ansehen. Das hat sich gelohnt!!

A Lord of the seas at rest in Cherbourg
Die "Redoutable", das erste Atom-U-Boot der Franzosen war von 1967 bis 1991 im Dienst und wurde am 29. April 2002 in Cherbourg für die Öffentlichkeit im Museum Cité de la Mer ausgestellt, nachdem der Atomreaktor ausgebaut worden war.
Mit einem Audioguide bewaffnet, schauen wir in jeden Winkel und staunen über die geballte Ladung Technik aus dem Vor-IT-Zeitalter, die hier auf engstem Raum verbaut ist. In Anbetracht der vielen Schalter und Knöpfe und vor dem Hintergrund unserer eigenen Erfahrung mit Bootstechnik beschleicht uns der Gedanke: Was, wenn hier mal was nicht funktioniert? Wie findet man bei den vielen Kilometern an Kabeln und Schläuchen den Fehler....
Jedenfalls sind wir schwer beeindruckt!
(Weiter Angaben zum Schiff bei den Fotos unten...)
Titanic: Spannung pur
Die Titanic hat von Southampton kommend in Cherbourg angelegt, bevor sie über Irland fahrend "Kurs auf den Eisberg" genommen hatte. Die Ausstellung im Cité de la Mer ist so spannend gemacht. Schon der orginalgetreue Nachbau der Schalterhalle ist faszinierend. Die Ausstellung selbst wechselt zwischen Nachbauten z.B. von den Kojen in der ersten Klasse, Fotos der Passagiere und ihrer Geschichte, dreidimensionalen Darstellungen einiger Räume und Blick auf den weiten Ozean sowie Filmen ab. Wir sind vollkommen vom Geschehen eingenommen und erleben die Geschichte der Titanic so nah, wie sie bisher noch keiner der zahlreichen Kinofilme vermitteln konnte.
Im Ozean
Fantastisch gemacht! Didaktisch grandios aufbereitet, ein Highlight für Augen und Ohren! Wir sind total begeistert! Dabei wollten wir nach unserem Besuch im Oceanopolis in Brest hier gar nicht mehr reingehen. Wir finden die Gestaltung dieses Risenaquariums aber viel interessanter und lehrreicher als in Brest. Man gleitet von einer Attraktion zur nächsten und bemerkt dabei nicht, wie die Zeit vergeht. Von Langeweile keine Spur!
Klasse!
(Fotografieren war uns leider nur im U-Boot möglich!)

Noch ein bisschen Stadt...
..und warten auf unsere Segelreparatur, dann wollen bzw. müssen wir weiter. Unsere Stegnachbarn verwirren uns mit der Nachricht, dass sie ihre Pläne ändern mussten und nicht wie ursprünglich vorgenommen nach Brighton segeln können, weil UK Segler von Frankreich kommend nicht mehr ohne Quarantäne reinlässt. :)
Uffz. Wir hoffen, dass wir ohne Probleme in den Niederlanden einreisen können. Donnerstag soll's weitergehen, zunächst Richtung Duncerque.